In der Antike lag der Schutz der Natur noch in göttlicher Hand. Nach römischer Vorstellung hätten die Götter die Menschen mit Unwettern und Ernteausfällen gestraft, wenn sie der Natur nicht mit Respekt begegneten. Heute liegt diese Verantwortung ganz bei uns. Wer sich für den Umweltschutz engagiert, braucht inzwischen mehr als wohlgesonnene Götter – gefragt sind überzeugende Argumente, kreative Ansätze und viel Fingerspitzengefühl. All das vereinte die diesjährige Open-Air-Ausstellung LUGA – Luxembourg Urban Garden. Sie bot Anregungen und Aufklärung zugleich.

Eingebettet in üppiges Grün erwies sich die zur MNAHA-Museumsfamilie gehörende Réimervilla Echternach als idealer Schauplatz. Mit dem abwechslungsreichen und interaktiven Programm, das das Musée national d’archéologie, d’histoire et d’art (MNAHA), speziell für die LUGA zusammengestellt hat, wurde antikes Wissen lebendig und für alle Sinne erfahrbar gemacht.
Die drei nachfolgenden Programmpunkte zeigen exemplarisch, wie Yoga-Coaches, ein Gärtner-Team und ein Historiker dazu beigetragen haben, das LUGA-Motto „Unsichtbares sichtbar machen“, in die Tat umzusetzen. Dabei verbanden sie Vergangenheit und Gegenwart auf inspirierende Weise miteinander.
Mens sana in corpore sano
In der Zeit, in der die römische Villa in Echternach bewohnt wurde – etwa von ca. 60/70 n. Chr. bis zum frühen 5. Jahrhundert – befand sich Yoga in Indien in einer entscheidenden Entwicklungsphase. In dieser Epoche entstand eine Form der Yoga-Praxis, deren Elemente bis heute Bestand haben.
Hätte es die technischen Möglichkeiten unserer Zeit bereits in jenen Tagen gegeben, hätten die römischen Bewohner der Villa vermutlich an Online-Kursen des indischen Gelehrten Patanjali teilgenommen, der zur damaligen Zeit gerade den klassischen Leitfaden des Yoga verfasste. Denn auch die Römer wussten schon um die Bedeutung von körperlicher Betätigung für Gesundheit und Wohlbefinden. Dies verdeutlicht auch der Titel der Veranstaltung Mens sana in corpore sano, das berühmte Zitat des römischen Dichters Juvenal aus dem 1./2. Jahrhundert. Der Sport diente den Römern auch zur Erholung und Geselligkeit. Er war Teil eines sozialen Rituals, das sowohl Frauen als auch Männer pflegten. In den Thermen gab es einen eigens dafür vorgesehenen Bereich – die „palaestra“. Dort standen Ringen, Ballspiele, Kraftübungen, Gymnastik und Laufen auf dem Programm.
Ganz in römischer Tradition, Menschen an einem besonderen Ort zu gemeinsamer Bewegung und Entspannung zusammenzubringen, boten die Yoga-Coaches von YIYA Concept aus Luxemburg diesen Sommer an fünf Sonntagen Yoga-Interessierten eine Outdoor-Praxis in der Réimervilla an. Zuvor führten Mitarbeitende des Museums die Teilnehmenden durch die Villa und legten dabei den Fokus auf den Thermenbereich – jenen Ort, der schon in der Antike für Körperpflege, Regeneration und geistige Sammlung stand.
Was früher noch nicht vorstellbar war, machte der LUGA-Sommer in Echternach möglich: die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart in Form von Yogaeinheiten, die traditionelles Wissen ferner Kulturen mit moderner Sportwissenschaft vereinten. Inmitten der geschichtsträchtigen Ruinen entstand so ein Raum der Ruhe und Einkehr – wie einst in den Thermen.

Marché à la Réimervilla
In der römischen Villa war damals Aufgabe des „topiarius“ – eines auf kunstvollen (Buchsbaum-)Formschnitt spezialisierten Gartensklaven – was heute die Gärtnerei Millenoacht aus Echternach übernimmt. Deren Team kümmert sich nicht nur um den präzisen Schnitt der Buxus-Hecken, die traditionell die Beete des Kräutergartens einfassen, sondern steht seit einigen Jahren auch vor einer besonderen Herausforderung: dem Buchsbaumzünsler. In der Römervilla setzt man bei der Bekämpfung dieses vermutlich durch den internationalen Pflanzenhandel aus Ostasien importierten Neozoons bewusst und durchaus erfolgreich auf biologische Mittel. Denn die Pflanzen aus dem Kräutergarten sollen nicht nur dekorativ aussehen, sondern auch kulinarisch nutzbar sein – beispielsweise im Rahmen der Koch-Events für Erwachsene und Familien, die ebenfalls im Sommer 2025 auf dem LUGA-Programm standen.
Die Besucher bekommen die emsigen Gärtnerinnen und Gärtner meist gar nicht zu Gesicht, obwohl sie das ganze Jahr über mit der Pflege der weitläufigen Anlage beschäftigt sind. Doch bei der LUGA-Veranstaltung Marché à la Réimervilla am 15. Juni trat die Gärtnerei neben weiteren regionalen Erzeugern einmal ganz bewusst in Erscheinung: als einer der auf dem Markt vertretenen lokalen Produzenten mit einem eigenen Stand. Dort bot sie mediterrane Kräuter und Blumen zum Verkauf an, wie sie auch im römischen Garten zu finden sind. Gemeinsam mit drei Winzern von der Sauer, dem Verein Patrimoine Roses Luxembourg asbl, der École du Goût und einer Märchenerzählerin machten sie den Markt zu einem lebendigen Treffpunkt für Genuss, Geschichte und Gartenkultur.
Die bei der Veranstaltung präsentierten lokalen Pflanzen und traditionellen Erzeugnisse veranschaulichten darüber hinaus, wie tief die Wurzeln unserer Kultur in der Natur verankert sind.

Geschicht a Geschichten zum Réimische Gaart a senge Planzen
Am 27. Juli lud Marc Schoellen, Historiker und Experte für historische Gärten und Pflanzen in Luxemburg, zu einer botanischen Zeitreise ein. Mit fundiertem Wissen und lebendigen Geschichten über die Ausgrabungsstätte und ihren nach historischem Vorbild rekonstruierten Garten machte er die Führung zu einem beeindruckenden Erlebnis. Dabei wurde die römische Flora nicht nur betrachtet, sondern auch mit allen Sinnen erlebt: beim Schnuppern an Lavendelblüten, dem Naschen von Feigen und Ertasten borstiger Zinnkrautstiele.
Der Historiker wies darauf hin, dass auch volkstümliche, bildhafte Pflanzennamen oft Einblick in traditionelle Verwendungen geben. Ein Beispiel dafür ist das heute als Pizzagewürz bekannte Oregano (Origanum vulgare). In Luxemburg wird er mancherorts noch „Léiffrabettstréi“ – Liebfrauenbettstroh oder Marienbettstroh – genannt. Der Name erinnert an einen alten Brauch, bei dem bestimmte Kräuter dem Bettstroh beigemischt wurden, unter anderem, um Ungeziefer fernzuhalten.
Im Verlauf der Führung wurde deutlich, wie sehr historische Entwicklungen die Pflanzenwelt geprägt haben: Mit der Ausbreitung des Römischen Reiches gelangten zahlreiche Arten in die eroberten Gebiete. Viele dieser einst eingeführten Pflanzen – sogenannte Archäophyten – haben sich dauerhaft etabliert und sind heute aus unseren Gärten kaum mehr wegzudenken. Dazu zählen beispielsweise Süßkirschen, Feigen, Weinreben, Lorbeer, Lavendel und Rosmarin.
Dass das Wissen um die medizinische und kulinarische Nutzung vieler dieser Pflanzen bis heute erhalten geblieben ist, verdanken wir insbesondere dem römischen Gelehrten Plinius dem Älteren. Mit seiner Enzyklopädie Naturalis Historia aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. überlieferte er wertvolles Pflanzenwissen aus der Antike.
Die Gartenführung vertiefte mit historischem Wissen über die Heilkraft und Vielseitigkeit von Pflanzen das Verständnis für die Natur. Zudem veranschaulichte sie, wie wichtig es ist, die Natur, die gleichzeitig auch Kulturerbe ist, nicht nur zu nutzen, sondern auch zu schützen.

Altes Wissen für mehr Achtsamkeit im Hier und Jetzt
Die Veranstaltungen in der Réimervilla Echternach griffen das LUGA-Motto „Unsichtbares sichtbar machen“ auf eindrucksvolle Weise auf. Sie machten erfahrbar, wie eng Tradition und Fortschritt miteinander verwoben sind.
Während wir heute selbstverständlich die einst von den Römern eingeführten Süßkirschen genießen und aus Indien stammende Entspannungstechniken als festen Bestandteil in unseren westlichen Alltag integriert haben, bedroht eine unbeabsichtigt eingeschleppte, gefräßige Raupe das Überleben eines seit Jahrtausenden etablierten Gehölzes.
Diese Gegensätze verdeutlichen sowohl das Potenzial als auch die Risiken menschlicher Eingriffe in die Natur. Sie führen uns vor Augen, wie alles mit allem verbunden ist: Yoga und römische Thermenkultur, Mensch und Natur, Vergangenheit und Gegenwart. Vor allem aber machen sie bewusst, wie wichtig es ist, flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Nur so lässt sich in einer Welt im Wandel, einem „Land in Motion“, bestehen.
Text: Sandra Litzinger - Bilder: Paula Alves & Sandra Litzinger

Letzte LUGA-Veranstaltungen in der Réimervilla im September:
- Sonntag, 07.09.2025, 10:00-12:00 Uhr: Mens sana in corpore sano, Yoga und Führung, kostenlos, Anmeldung erforderlich
- Donnerstag, 18.09.2025, 14:00-17:00 Uhr: Kraiderschmaus, Koch-Workshop für Familien, ab 6 Jahren, 5 €, Anmeldung erforderlich
- Sonntag, 21.09.2025, 15:30-16:30 Uhr: Ne m’oublie pas ! Theaterführung, kostenlos, Anmeldung erforderlich
Die Réimervilla Echternach ist nach der jährlichen Winterpause wieder ab April 2026 für Besucher geöffnet.
Die im Nationalmusée um Fëschmaart stattfindende LUGA-Ausstellung Land in Motion. Transforming People and Landscapes ist noch bis 11.01.2026 zu sehen. Marc Schoellen hält im Nationalmusée um Feschmaart am 04.12.25, 19:00 Uhr, einen zusätzlichen Vortrag zum Thema: Archéophytes et paysages luxembourgeois.