In seiner aktuellen Ausstellung Land in Motion. Transforming People and Nature zeigt das Nationalmusée neben beeindruckenden archäologischen Funden, unterschiedlichen zeitgenössischen und älteren Kunstwerken und Kunsthandwerksobjekten, auch einen besonderen Pflug des belgischen Herstellers Mélotte.
Hinter diesem Pflug, der normalerweise im Depot des Museums schlummert, verbirgt sich eine bemerkenswerte Geschichte. Guillaume Mélotte gründete die Firma Mélotte im Jahr 1852 in Remicourt – zu einer Zeit, als die Mechanisierung der Landwirtschaft gerade begann. Nach dessen Tod ging das Unternehmen an seine Frau und die Söhne Jules (1858–1919) und Alfred (1855–1943) über.
1891 erweiterten sie das Unternehmen um eine zweite Fabrik in Gembloux nahe Namur, wo sich das international hoch angesehene Institut agronomique befand. Als Jules 1919 starb, übernahm Alfred die Geschäfte und diversifizierte die Produktion. Die Zwischenkriegszeit entwickelte sich zur Glanzzeit der Firma: Mélotte wurde zum wichtigsten Industriebetrieb in Gembloux und galt in dieser Zeit als Synonym für den Brabanter Doppelpflug. Die Firma beschäftigte damals etwa 1.400 Arbeiter in der Produktion und weitere 900 Personen arbeiteten weltweit im Vertrieb. Nach 1945 ging die Produktion zurück, sodass 1968 nur noch 223 Menschen bei Mélotte angestellt waren. In den 1970er Jahren schloss sich die Firma mit einer britischen Gruppe zur SA Gascoigne-Mélotte zusammen, deren Fokus auf Melkmaschinen lag. 2006 erfolgte schließlich deren Fusion mit der amerikanischen Gesellschaft Bou-Matic, einem Spezialisten für Milchindustrie- Technologie.

Ein Innovator
Alfred Mélotte war nicht nur Inhaber der Firma Mélotte, sondern auch ein Innovator. So erfand er selbst 1881 die „charrue brabant double“, den Brabanter Doppelpflug, auch „charrue Mélotte originale à pièces interchangables“ (Original Mélotte-Pflug mit austauschbaren Teilen) genannt. Brabanter Pflüge wurden auch von anderen Herstellern gebaut, doch es gelang Alfred Mélotte, sein Modell zu perfektionieren und es so zum Verkaufsschlager zu machen. Allein im Jahr 1935 wurde dieser Pflug 25.000-mal produziert.
Der „Brabant double“ genoss einen großen Erfolg im In- und Ausland, was auch den vielen Kontakten zu ehemaligen Studenten des Institut agronomique zu verdanken war. Zu ihnen gehörten unter anderem auch Professoren der Ackerbauschule in Ettelbrück. Mélotte gewann mehrere Preise, wie zum Beispiel den Grand Prix auf der Weltausstellung 1907 in Amsterdam.
Der Mélotte-Pflug, der momentan in der Ausstellung Land in Motion zu sehen ist, war zuletzt auf einem Bauernhof in Bettborn im Einsatz. 1979 wurde er vom Nationalmusée erworben und in die Sammlung aufgenommen. Aufgrund der nur langsam voranschreitenden technischen Entwicklung in der luxemburgischen Landwirtschaft kamen solche Pflüge noch in den 1950er und 1960er Jahren zum Einsatz.
Von Ochsen oder Pferden gezogen
Die Grundform des Brabanter Doppelpfluges entspricht einem Räderpflug. Die Form seiner Schar ist der eines Schollenwender-Pflugs nachempfunden. Letzterer wurde im 11./12. Jahrhundert erfunden und zählt zu den genialsten landwirtschaftlichen Innovationen des Mittelalters. Während der vorher übliche Hakenpflug den Boden lediglich aufritzte, brach dieser neue Pflug die Scholle – also den Boden – um. Dadurch gelangte die nährstoffreiche Humusschicht näher an die Wurzeln. Dies führte einerseits zu höheren Ernteerträgen und andererseits zu einer starken Veränderung der Landschaft.
Der Brabanter Doppelpflug besteht aus zwei Teilen, dem Vorder- und dem Hinterpflug. Am Vorderpflug, auch Vorderkarren genannt, befindet sich eine Vorrichtung zur Einstellung der Tiefe und Breite der Furche. Darüber ragt der sogenannte „Galgen“ empor, an dessen Ende ein Ring befestigt ist. Durch diesen wird die Leine geführt, mit der die Zugtiere gelenkt werden. Je nach Betrieb und Epoche wurde der Pflug von Ochsen oder Pferden gezogen – später auch von Traktoren. Pferde waren zwar effizienter als Ochsen, da sie in der gleichen Zeit mehr Fläche pflügen konnten. Doch wegen ihres teuren Unterhalts griffen kleinere Betriebe auf Ochsen zurück. Der Pflugbaum verbindet den Vorder- mit dem Hinterpflug, an dem sich die Doppelschar befindet. Die Schar ist genau genommen nur das kleine Teil, das in den Boden schneidet. Das größere Teil, das Streichbrett, dient dazu, die Erde umzulegen.

Langgezogene, schmale Felder von Vorteil
Mélotte gelang es, das Streichbrett so zu konstruieren, dass die Erde daran abrutschte, anstatt wie bei herkömmlichen Pflügen am Metall zu haften. Vor der Doppelschar befindet sich ein schmales, längliches Messer, Kolter genannt, das einen senkrechten Schnitt in den Boden setzt, bevor die eigentliche Hauptschar nachschneidet. Für das Abtragen von Grasnarben und Stoppeln oder das Einpflügen von Dünger konnte optional vor den Kolter eine kleinere Schar – der Vorschäler – montiert werden. Damit bei jeder Furche die Erde auf dieselbe Seite gelegt wurde, musste der Pflugbaum am Ende jeder Reihe um 180 Grad gedreht werden, sodass die gegenläufige Schar benutzt werden konnte. Für die Bauern waren aus diesem Grund langgezogene, schmale Felder von Vorteil, da sie so möglichst wenig wenden mussten.
Das Diptychon Parcelle 50-620, Pascelupo (2020) von Claudia Passeri, das ebenfalls in der Ausstellung Land in Motion zu sehen ist, zeigt mehrere solcher langgezogenen Felder. In diesem Diptychon reflektiert die Künstlerin unter anderem über Landschaft als geerbtes Gut und kulturelles Konstrukt.
Der innovative Pflug von Mélotte ist ein eindrucksvolles Zeugnis landwirtschaftlicher Technikgeschichte und ein anschauliches Beispiel dafür, wie der Mensch die Landschaft im Laufe der Zeit für seine Zwecke verändert hat. In der Ausstellung Land in Motion. Transforming People and Nature können Sie den Pflug noch bis zum 11. Januar 2026 genauer betrachten und weitere spannende Geschichten über die wechselseitige Einflussnahme von Mensch und Natur in vergangenen Zeiten entdecken.
Text: Tom Poecker - Bilder: Éric Chenal
Quelle: MuseoMag N° IV - 2025